In der Ausgabe des Hamburger Abendblatts vom 07.01.2019 (abrufbar unter folgendem Link (*)) wurde unter der Überschrift „Hamburgs Frauenclubs sollen künftig auch Männer aufnehmen“ im Artikel von Rainer Grünberg berichtet, das Finanzamt Hamburg-Nord drohe einem Frauen- und zwei Männer-Rudervereinen, den Gemeinnützigkeitsstatus abzuerkennen. So informiert der Autor darüber, dass bei den betroffenen Vereinen eine Krisensitzung auf die nächste folge, weil die Gemeinnützigkeit deren finanzielles Überleben absichere. Weiter heißt es in dem Artikel, Hauptbetroffene seien zunächst die 380 Mitglieder des Hamburger Ruderinnen-Clubs am Isebekkanal, da das Finanzamt diesem das Gemeinnützigkeitsprivileg entzöge, falls dessen Satzung nicht bis Ende des Monats (d.h. bis Ende Januar 2019) dahingehend geändert würde, dass auch Männer Vereinsmitglieder werden dürfen. Währenddessen fürchten die betroffenen Vereine um ihre Existenz und der Fall droht neben seiner Brisanz hinsichtlich der ggf. streitigen steuerlichen und rechtlichen Facetten selbst zum Politikum zunächst in der Freien und Hansestadt Hamburg zu werden.
Es stellt sich jedoch die Frage, da das Finanzamt neben dem Vereinsregistergericht die Satzungen der jeweiligen Vereine hat prüfen müssen, bevor die Gemeinnützigkeit per Bescheid zuerkannt wurde, warum nun möglicherweise die Gemeinnützigkeit entzogen werden solle.
Wie kam der Stein ins Rollen?
Alles begann mit einem Fall aus Nordrhein-Westfalen. Eine Frau wollte Mitglied einer Freimaurerloge werden. Jedoch wurde ihr die Mitgliedschaft von der als eingetragener, gemeinnütziger Verein organisierten Loge verweigert. Daraufhin wurde der Loge die Gemeinnützigkeit aberkannt. Diese erhob sodann Klage. Das Finanzgericht Düsseldorf entschied darauf, dass die Voraussetzungen für Gemeinnützigkeit nicht vorlägen, da Vereine, die ein bestimmtes Geschlecht diskriminierten, nicht der Allgemeinheit dienen. Mit Urteil vom 17.05.2017 hat der Bundesfinanzhof (BFH), Az.: V R 52/15, die Ablehnung der Gemeinnützigkeit für die o.g. Freimaurerloge bestätigt, die in ihrer Satzung Mitgliedschaftsrechte nur Männern einräumte. In dem Ausschluss von Frauen von der Mitgliedschaft sah der BFH das Kriterium der Allgemeinheit gem. § 52 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung (AO) verletzt. Die steuerlichen Privilegien Steuerfreiheit und Spendenabzug gibt es eben nicht für jeden. Das Gesetz sieht bestimmte Voraussetzungen vor, die erfüllt sein müssen.
Die steuerlichen Privilegien: Steuerfreiheit und Spendenabzug
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) sind von der Körperschaftsteuer u.a. befreit, Körperschaften, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar u.a. gemeinnützigen Zwecken dienen.
Gemeinnützigkeit ist jedoch ein unbestimmter, ausfüllungsbedürftiger Wertbegriff. Gem. § 52 Abs. 1 S. 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Gem. § 52 Abs. 1 S. 2 AO gilt, dass eine Förderung der Allgemeinheit nicht gegeben ist, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist, (…).
Eine absolut richtige Auffassung darüber, was gemeinnützig ist, gibt es nicht (so Hey in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., S. 1136). Konservative, liberale, sozialdemokratische und „grüne“ Gemeinnützigkeitsvorstellungen wichen voneinander ab. Aktivitäten, die jedoch das Grundgesetz (GG) verletzen, seien nicht gemeinnützig.
Hier ist also ein Blick in die Verfassung zu werfen: Gem. Art. 3 Abs. 2 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Gem. Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand u.a. wegen seines Geschlechts benachteiligt werden.
Und so stellt sich die Frage, ob ein Verein, der in seiner Satzung Angehörigen eines bestimmten Geschlechts die Mitgliedschaft verwehrt ggf. gegen das Grundgesetz verstößt, mit der Folge, dass ggf. die Voraussetzungen der Förderung der Allgemeinheit gem. § 52 Abs. 1 AO und damit der Gemeinnützigkeit i.S.d. § 5 KStG nicht mehr bejaht werden könnten.
In dem Freimaurerlogenfall aus NRW kam der BFH zu dem Schluss, dass der Verein nicht im Sinne des § 52 AO gemeinnützig sei, da eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. Art. 3 GG vorläge. Der BFH hat jedoch nicht unerwähnt gelassen, dass es Fälle einer gerechtfertigten Ungleichbehandlung geben könne, wenn ein sachlicher Grund – anders als im entschiedenen Fall – vorläge.
Tradition gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
In den Hamburger Fällen wird es wohl zunächst auf die Argumentationen des Finanzamtes sowie der Betroffenen und die richtige Abwägung ankommen. Ob die Traditionsvereine ihre Satzungen entgegen ihrer jahrhundertealten Traditionen ändern werden, hängt u.a. davon ab, ob die vorzunehmende Abwägung im Einzelfall dazu führt, dass ein sachlicher Grund nicht vorliegt und ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz unserer Verfassung keine Rechtfertigung findet.
Hinweis: Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt keine Beratung dar. Eine Beratung erfolgt ausschließlich im Einzelfall durch Prüfung des konkreten Sachverhaltes unter allen rechtlichen Aspekten.
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(*) o.g. Artikel in der Ausgabe des Hamburger Abendblatts vom 07.01.2019 war zum Zeitpunkt der Abfassung des obigen Textes abrufbar unter: https://www.abendblatt.de/hamburg/article216150183/Hamburgs-Frauenclubs-sollen-kuenftig-auch-Maenner-aufnehmen.html